Opfer der modernen Stadtplanung

Doch nun soll das „Café Orient“ dank der Initiative des Enkels als Modell wieder auferstehen

So sah der prachtvolle Bau Unter den Eichen einstmals aus – 1964 wurde er abgerissen.

11. Mai 2002, Wiesbadener Tageblatt (Angelika Beyreuther-Raimondi)

„Als kleiner Bub“ spielte Bernd Richefort, Enkel von Georges Richefort, der ehemaliger Besitzer des legendären „Café Orient“ war, ab und zu in dem Kaffeehaus, aber erinnert sich nicht mehr an Einzelheiten des exotischen Hauses. Sein Vater jedoch, ein Musiker, habe in diesem Haus mit den Eltern gewohnt und sogar sein eigenes Musikzimmer gehabt. Bernd Richefort zeigt auf eines seiner vielen Fotos: Die Großeltern Georges und Lina Richefort sitzen an einem Tisch inmitten des imposanten Saals im Café Orient, neben ihnen steht ein kleiner Junge mit einer Geige in der Hand. „Das ist mein Vater“, sagt er und erzählt, dass er und seine Frau vor kurzem viele historische Dokumente und Fotos aus dessen Fundus geerbt haben. Der Vater "hat einfach alles aufgehoben". So befinden sich jetzt viele Schätze aus der Zeit des Café Orient in seinem Besitz.

Die intensive Beschäftigung mit dem legendären „Café Orient“ seiner Großeltern brachte Bernd Richefort auf die Idee, dieses Kaffeehaus wieder zum Leben zu erwecken: Ein originalgetreues Modell im Maßstab 1:25 soll anhand alter Luftaufnahmen, Fotos und Bauplänen – von denen allerdings fast alle verbrannt sind – nachgebaut werden. Die Werkstatt, die das kann, hat Bernd Richefort auch gefunden: In Ruhla in Thüringen gibt es solche Modellbauer. Die Miniaturausgabe des türkisch-arabischen Kaffeehauses soll nächstes Jahr fertig sein und kostet stolze 15.000 Euro.

Nun ist Richefort dabei, Geld zu sammeln. Bei der 24. Nassauischen Ansichtskarten-Börse, die am 12. Mai, genau einen Tag nach dem 70. Todestag des Großvaters, von 9 bis 15 Uhr im großen Saal der Wiesbadener Stadtwerke (ESWE) in der Weidenbornstraße stattfindet, will er eine erste Serie von drei historischen Postkarten des Cafés aus seinem privaten Besitz, von denen er je 500 Stück drucken ließ, für fünf Euro verkaufen. Der Erlös aus dem Kartenverkauf soll für das Modell verwendet werden. Weitere Serien sollen folgen.

Das Modell will Richefort später dem geplanten Stadtmuseum übergeben, gemeinsam mit möglichst vielen Gegenständen aus dem Café: Porzellan, Gläser, Bestecke, Stühle, Tische und anderes. Irgendwann will er auch ein schön illustriertes Buch über das Café seiner Großeltern schreiben und so sucht er Kontakt zu Personen, die Informationen über oder Erinnerungsstücke aus dem Café Orient besitzen. Diese können sich mit ihm telefonisch (Telefon 0611-400119) in Verbindung setzen.

Alfred Georgi, einst Hofkoch des deutschen Kaisers Wilhelm I., hatte das „Café Orient“ in Wiesbaden Unter den Eichen zur Jahrhundertwende bauen lassen. Er engagierte den Wiesbadener Architekten Carl Dormann, der sich allerhand einfallen ließ. Und so nahm das Café äußerlich die so außergewöhnliche muselmanische Gestalt an und wurde auch innen prächtig ausgestattet. 1914 pachtete der Franzose Georges Richefort das Haus. Das Café erlebte in den darauf folgenden „goldenen“ 20er Jahren seine Blütezeit, es gehörte zu den beliebten Treffpunkten der Wiesbadener Gesellschaft, und so konnte Georges Richefort das Haus bald kaufen. Er beantragte sogar den Bau eines zusätzlichen Ball-Saals für tausend Personen! Doch dann kam das Jahr 1929, die Weltwirtschaftskrise. Der Kaffeehausbesitzer musste Konkurs anmelden. Das Café wurde zu Teil zweckentfremdet weiter genutzt. Den Zweiten Weltkrieg überstand das Gebäude unbeschädigt. 1964 fiel es jedoch dem Abrissrausch der neuen Zeit zum Opfer. An der Stelle Unter den Eichen entstand ein hochgeschossiger Wohnbau.

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